WOW-027 - Violeta Dinescu: Octava Aurea

Aurelian Octav Pupa, Klarinette, und Sanda Crăciun Popa, Viola, spielen den Zyklus OCTAVA AUREA von Violeta Dinescu

 

Violeta Dinescu: Mein Dank an Aurelian Octav Popa

Unsere musikalische Freundschaft war und ist für unsere Zusammenarbeit immer sehr inspirierend. Was uns verbindet, ist die Freude an Resonanzräumen, die Wege der Kommunikation eröffnen.

Aurelian Octav Popa ruft – mit seiner einma­ligen Art – Klänge hervor, die als achtsame Lebewesen vor das geistige Auge treten. Man wundert sich jedes Mal, wie elastisch, transparent und farbenreich seine Klang­bewegungen erscheinen. Seine fluktuierenden Melodien entfalten sich in Hör­räumen und kreieren eine Mehrdimen­sio­nalität, die komplex ist und dennoch ganz na­­türlich wahrgenommen werden kann.

Seit Jahren hat er in der Bratschistin Sanda Crăciun Popa eine ideale Partnerin; mit ihr zusammen bringt er fantastische Welten ans Licht.

Ich habe das große Glück, immer wieder dabei zu sein.

 

„Wind gibt den Ton an“

Violeta Dinescus Projekt OCTAVA AUREA

Seit 1982 lebt Violeta Dinescu in Deutschland. Den Kontakt nach Rumä­nien hat sie gleichwohl nie verloren, weder persönlich noch ideell, weder real noch in tieferen Bewusst­seins­schichten. Brücken dorthin bilde(te)n – als Quellen aus denen sie, ohne zu imitieren, immer wieder schöpft – volksmusikalische Repertoires ihres Heimat­landes und byzantinische Musik sowie die Nähe zu herausragenden rumänischen Musikerinnen und Musikern.
Neben der langjährigen Zusammen­ar­beit mit dem Trio Contraste sind da be­sonders der Klarinettist Aurelian Oc­tav Popa und dessen Frau, die Brat­schi­stin Sanda Crăciun Popa, hervorzuheben. Violeta Dinescus Verehrung für dieses Duo kommt schon im Titel der CD Octavia Aurea zum Aus­druck. Die deutsche Übersetzung lautet „goldene Oktave“, doch Pate stand auch der Vorname des Klarinettisten, für den die Komponistin ein Zeichen der Freund­­­schaft und der traumhaften Be­gegnung in und durch (ihre) Musik set­zen wollte.
Zwar gaben Aurelian Octav und Sanda Crăciun Popa wesentliche Impulse für Octavia Aurea. Violeta Dinescus Werke sind darüber hinaus aber stets mit vielerlei Inspirationen verwoben. Dazu zäh­len Impressionen aus Natur und Literatur, aus Wissenschaft und Male­rei, aus Alltag und Medien; ganz abgesehen von musikalischen Anre­gun­gen, die sich aus tiefgründiger geistiger Auseinandersetzung mit der Mu­sik­ge­schichte ebenso speisen wie aus frü­hen Kindheitserinnerungen.
Besonders wichtig für Octavia Aurea war zum einen der Film „Dra­chen­­läu­fer“ („The Kite Runner“, 2007, ­Re­gie: Marc Forster) nach dem gleichnamigen Roman von Khaled Hos­se­ini, der das Schicksal zweier Jungen – Amir und Hassan – und ihrer Familien unterschiedlicher sozialer Herkunft in Afgha­nistan von Ende der 1970er Jah­re bis zur Herrschaft der Taliban (1996 – 2001) beleuchtet. Und zum an­de­ren schwingen die mehrdeutigen Stim­mun­gen in den Gedichten der Ly­rikerin Eva-Maria Berg (* 1949 in Düs­seldorf) im Hintergrund mit.
Für das fünfte der neun Stücke übernahm Dinescu gar den Titel des Poems für den flug, das Eva-Maria Berg ihr zugeeignet hat. Um konkrete Textver­to­nung oder Tonmalerei ging es ihr dennoch nicht, da ihre Musik trotz Beein­flus­sung durch außermusikalische Fak­toren vor allem für sich selbst spricht. Entstanden sind acht der neun Solo- und Duostücke zwischen 2014 und 2019; einzig Clariwehlinos für Klari­nette ist älter und stammt von 2004.

Egbert Hiller

Farbhören - oder nicht? - Reflektionen von Wolfgang Wendel

Hans Werner Berretz (Ha Webe) hält sich nicht für einen Syn­äs­the­tiker - zumindest nicht für einen Farb­hörer. Ich würde die Frage mit einem glatten „JEIN” beantworten.
Ha Webe sieht seine Bilder als Re­ak­tio­nen auf mu­sikalische Emo­tionen und mu­sik­nahe Ele­mente (s.S. 6).
Ha Webe kann (sei­ne) Bilder in Musik „(zu­rück-) übersetzen”. Folgerung: Musik und Bild sind für ihn Äquivalent!  Eigentlich normaler als man zunächst meint!
Ich halte wenig von „Bilder erklären”. Aber bei Ha Webe drängen sich mir (eingeengt auf die hier verwendeten Bilder) Eindrücke und Schlüsse auf, die ich nicht für Zu­fälle halten kann.
Ha Webe kennt Violeta und ihre Musik schon lange, hat auch einiges davon in Bilder umgesetzt. Er verfügt damit be­reits über „Dinescu-Inbilder”, oder wie Informa­ti­ker sagen würden: „Mentale Mo­delle”.
Diese mentalen Violeta-Modelle dürften  den Hintergrund bilden, dem er seine Re­aktionen aufmodellieren kann.
Lassen Sie selbst das ein oder andere Bild  etwas länger bewusst  auf sich wirken. Ich erwarte zwar nicht, dass Sie diese Bilder „singen” können - aber doch spü­ren, dass Sie NICHT GEGEN die Bil­der „singen” könnten.
Plausibel dürfte sein, dass Ha Webe beim „Spielen eigener Bilder” jedes Mal zu an­deren Ergebnissen mit in engen Gren­zen,gehaltener „Grundgestimmtheit” kommen würde.
Wir empfinden dunkle Farben als drü­ckend, beengend bis beängstigend. Auch ein Syn­äs­the­tiker kann sich nicht von dieser Alltagserfahrung abkoppeln. Für „die Aura eines tiefen Brun­nens“ in Ottava gra­ve würde Ha Webe kaum helle bis strah­lende Farben verwenden.
Die Überschneidungen unserer Em­pfin­dungen geben dem Maler, Musiker, Er­zähler die Chance von uns „verstanden” zu ­wer­den. Wie nahe sich die beiderseitigen „mentalen Modelle” kommen, ist ein ganz anderes Problem - oft genug ein Lernprozess.
„Sich öffnen” mag für uns Empfänger hilfreich sein. Die Gebenden - Komponistin , Schriftstellerin und Maler - haben es be­reits getan ....

Hans Werner Berretz (Ha Webe)

(*1951 in Würselen) studierte Textil­de­sign und Be­triebs­wirtschaft in Aachen und Köln. 1986 gründete er die Künst­lergruppe AVANTIERE. Mehr­fach hielt er Gastvor­lesun­gen an der UNI Köln.
Die Arbeiten von Hans Werner Berretz sind poetisch, malerisch und vorwiegend abstrakt. Sie erscheinen in ausdrucksstarken Farben und Farbverläufen. Gegen­ständ­li­ches wird oft in Form einer gewissen Zeichen­haftigkeit collageartig integriert. Ähnlich wie bei musika­lischen Kom­po­sitionen entziehen sich die Ar­beiten e­i­ner nur der Ratio folgenden De­fi­ni­tion.
Ha Webe ist in seiner Malerei u.a. be­einflusst von  In­ge­borg Bach­mann und Paul Celan (Hu­he­­di­blu und Die Todes­fuge).
Ha Webe, selbst  ausübender Mu­si­ker, verwebt mu­sikalische Emotionen und musiknahe Ele­mente  (No­ten­skizzen, Partituren usw.) mit seiner Malerei.
Umgekehrt widmen ihm Künstler aus anderen Gen­res eigene Werke, so z. B. Bernd Hänsch­ke Ver­blüh­tes Geräusch, Violeta Dinescu ihr Streich­quartett (zu Ha Webe’s Reihe die Todesfuge nach Paul Celan).
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Aus­ein­ander­set­zung mit dem Holo­caust.
(nach Gesprächen mit Ha Webe )