PODIUM - Wolfgang Wendel
Marx, Joseph, * 11. Mai 1882 in Graz, † 3. Sept. 1964 in Graz. Die mus. Ausbildung erhielt er zunächst im Elternhaus, später in der Musikschule Buwa; Lehrer für V. waren Harpf und Krehahn, Vc. und Kb. erarbeitete er sich autodidaktisch. Schon im Gymnasium entstanden zahlreiche Arr. für StrQu., auch die ersten Kompos.-Versuche fallen in diese Zeit. An der Grazer Univ. stud. Marx Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik und Archäologie und promovierte im Nov. 1909 zum Dr. phil. (Diss. s. Lit.). Mit der Arbeit Welche Gesetzmäßigkeiten begreift die MTh. unter der Tonalität? errang er überdies den ersten »Wartinger«-Preis der philosophischen Fakultät der Univ. Graz. Ende 1914 als Prof. an die k.k. Akad. für Musik und darstellende Kunst in Wien berufen, lehrte er hier MTh. und Kompos. neben F. Schreker und E. Mandyczewski, übernahm nach F. Löwe 1922 die Leitung der Akad. und verfolgte unablässig die Gründung einer Hochschule. 1924 wurde er ihr erster Rektor und blieb es bis 1927. 1932 und 1933 beriet er die türk. Regierung bei der Neugestaltung des Musiklebens. Als Musikkritiker schrieb Marx vom Dez. 1931 bis zur Auflösung der Zeitung 1938 für das Neue Wiener Journal und seit 1945 für die Wiener Zeitung. Die Tätigkeit an der Wiener Musikakad. beendete Marx am 30. Sept. 1952. Gegenwärtig (1959) lebt er abwechselnd in Wien und Graz. Zu seinen Schülern zählen J.N. David, A. Melichar, R. Kattnigg und A. Kaufmann; viele Schüler kamen aus Asien.
Primär vom Naturerleben, vor allem von der süd- steirischen Landschaft Hugo Wolfs inspiriert, sind die Werke von Marx Stimmungsmusik reinster Prägung und Ausdruck eines ungewöhnlichen Schönheitsempfindens. Südländische Melodienfreude, roman. Impressionismus und das Klangerleben der jungruss. Schule, vor allem Skrjabins, verbinden sich in ihnen zu charakteristischer Synthese. Dazu kommt ein starker Sinn für Polyphonie, dem auch die Mittelstimmen der Kompos. ihre lebensvolle Faktur verdanken. Als Ausgleich gegen die stets überquellende Phantasie ist dem wiss. hochgebildeten Musiker ein scharfes Denken zu eigen, das Inh. und Form in Übereinstimmung zu bringen sucht; späte, abgeklärte Erfüllung sind die StrQu. Mittelpunkt des Schaffens sind die Lieder, deren Haupttl. 1908-1912 entstand; sie haben dem Komp. bald weltweite Anerkennung gebracht. Als Kritiker und Essayist hat Marx u.a. wesentliche Beitr. zur mus. Zeitgeschichte Wiens gegeben.
Werke (Ausw.). A. Vokalmusik. 1. Chorwerke: Herbstchor an Pan f. Chor, Knabenst., Orch., Org., Kl.A. Lpz., Wien 1912, Schuberthausverlag; Ein Neujahrshymnus f. MCh. u. Org., Part. Wien 1914, UE. - 2. Werke f. Gsg. u. Orch.: Verklärtes Jahr. Ein Zyklus f. mittlere Singst. u. Orch., Kl.A. Wien 1935/36, UE; 5 Lieder, instrumentiert vom Komp., Part. ebda. 1921. - 3. Lieder: Lieder u. Gsge. Folge 1-3, Lpz., Wien 1910-1917, Schuberthausverlag, bzw. UE; Ital. Ldb. nach Gedichten v.P. Heyse, Folge 1-3, Lpz., Wien 1912, Schuberthausverlag.
B. Instrumentalwerke. 1. Orchesterwerke: Eine Herbstsymph., Part. Wien 1925, UE; Idylle, Concertino über die pastorale Quart, Part. ebda. 1926. - 2. Werke f. Kl. u. Orch.: Romant. Kl.-Konz., Ausg. f. 2 Kl. zu 4 Hdn., ebda. 1920; Castelli romani, 3 Stücke, Kl.A.f. 2 Kl. zu 4 Hdn., ebda. 1931, 2/1954. - 3. Kammermusik: Rhapsodie, Ballade, Scherzo f. Kl.-Quartett, Lpz., Wien 1912, Schuberthausverlag; Quartetto in modo antico, Wien 1944, 2/1947, Doblinger; Quartetto in modo classico, ebda. 1944; Quartetto cromatico, 2. Fassung, ebda. 1948; Trio- Phantasie f. Kl., V., Vc., Wien 1916, UE; Son. A f.V.u. Kl., ebda. 1914; Frühlingsson. f. dass., ebda. 1948; Suite F f. Vc. u. Kl., ebda. 1915; Pastorale f. Vc. u. Kl., ebda. 1914; 6 Kl.-Stücke, ebda. 1916.
C. Schriften: Über die Funktion v. Intervall, Harmonie u. Melodie beim Erfassen v. Tonkomplexen, Phil. Diss. Graz 1909 (ungedr.); Welche Gesetzmäßigkeiten begreift die MTh. unter der Tonalität?, Ms.; Harmonielehre (Regelbuch 1), verf. unter Zugrundelegung des Lehrganges v.F. Bayer, Wien 1934, 3/1948, UE; Kp.-Lehre (Regelbuch 2), verf. unter Zugrundelegung des Lehrganges v.F. Bayer, ebda. 1935; Betrachtungen eines romant. Realisten. Gesammelte Aufsätze, Vorträge u. Reden über Musik, Wien 1947, Gerlach & Wiedling, Weltsprache Musik. Bedeutung u. Deutung tausendjähr. Tonkunst, Wien 1964, Austria-Edition.
Literatur: A. Liess, Joseph Marx, Graz 1943, Steirische Verlagsanstalt; Joseph Marx. Ehrenpromotion u. ihr Widerhall, Wien 1948, Österr. Staatsdruckerei; Joseph Marx. Ausstellung zum 75. Geburtstag des Komp. Im Schloß Eggenberg vom 25. Mai bis 23. Juni 1957, Graz 1957, Stadtmuseum am Landesmuseum Joanneum; Feier anläßlich des 80. Geburtstages des Ehrenmitgl. der Gesamtakad. Joseph Marx (11. Mai 1962) am 22. Mai 1962 in Almanach der Österr. Akad. der Wissenschaften 112, 1962, Sonderdruck 1963; E. Schenk, Joseph Marx, Nachruf, ebda. 116, 1966, Sonderdruck 1967; ders., In Memoriam Joseph Marx in StMw 27, 1966; E. Werba, Joseph Marx, Wien 1964 (= Österr. Komp. des 20. Jh. I).
Hans Jancik
[Die Musik in Geschichte und Gegenwart: Marx, Joseph, S. 1 ff.Digitale Bibliothek Band 60: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 49582 (vgl. MGG Bd. 08, S. 1740 ff. (c) Bärenreiter-Verlag 1986]