Maria-Elisabeth Lott

Maria-Elisabeth Lott wurde bei einer weltweiten Ausschreibung auserwählt, als Erste auf der restaurierten Kindergeige Wolfgang Amadeus Mozarts zu spielen!

Im Rahmen eines von der Musikhochschule Karlsruhe am 17. März 2001 veranstalteten Mammut-Konzertes “Argerich and friends” wirkte auch Maria Elisabeth Lott mit!

 Mit dem Allegro moderato aus Dvoraks Vier romantischen Stücken op. 75 und Sarasates Zigeunerweisen zeigte die 13-Jährige auf faszinierende Weise zwei Seiten ihres Könnens.

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Stationen einer Zwölfjährigen

Maria-Elisabeth Lott, 1987 als Tochter einer Pianistin und eines Musikschul-Leiters in Schramberg im Schwarzwald geboren, reiht Erfolge perlenkettengleich aneinander: 1993 erster Preis bei „Jugend musiziert“; 1995 Ständchen zu Grappellis 80-jährigem Bühnenjubiläum, Reaktion des Altmeisters: „Ich habe viele Phänomene in meinem Leben gesehen, aber so etwas noch nicht ...“; Aufnahme an die Musikhochschule Karlsruhe; 1996 bei Elmar Gunsch in der ARD; „Ein Herz für Kinder“ aus Berlin; Auftritte Andrea Bocelli, Lord Yehudi Menuhin, Günter Jauch; 1997 „Justus Frantz präsentiert Klassik-Stars von morgen“; 1998 setzt sie sich gegen 40 Bewerber aus aller Welt um das Spielen auf Mozarts Kindergeige durch; „Prix d’Espoir“ der Kulturfördergemeinschaft der Europäischen Wirtschaft; Auftritt vor dem schwedischen Königspaar und Bundespräsident Herzog; 1999 bei Steven Spielbergs Berliner Benefiz-Gala der Shoah-Foundation; Südamerika-Tournee und bei EMI erste CD mit Violin-Sonaten von Mozart auf dessen Kin­dergeige!

Maria-Elisabeth Lott hat mit ihrer unglaublichen Begabung bislang noch jeden in ihren Bann gezogen! Als Dreieinhalbjährige bekam sie vom Großvater eine Sechzehntel-Geige. 1991 baten die Eltern,  angesichts der fordernden Musikalität mit ihren Mitteln am Ende, Prof. Josef Rissin von der Musikhochschule Karlsruhe um privaten Violin-Unterricht. Nach rapiden Fortschritten zog es die Kleine auch ans Klavier. Ab 1992 bekam sie parallel zur Violine Klavier-Unterricht durch Frau Prof. Olga Rissin-Morenova... 1995 bestand sie die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Karlsruhe mit Auszeichnung – und war von nun ab Deutschlands jüngste offizielle Musikstudentin.

Zu Maria-Elisabeth Lotts Repertoire zählen „virtuose Brocken“ wie Wieniawskis Faust-Fantasie und Scherzo-tarantelle, Paganinis und Tschaikowskys D-dur-Konzerte, Lalos Sinfonie Espagnole. „Ich habe eine Vorliebe für schwere Stücke.“ Dem stehen nicht minder diffizile Werke wie Mozartsche Violinkonzerte oder einige Sätze aus Bachs Sonaten und Partiten gegenüber. Als Außenstehender kann man sich nur nach dem Ineinandergreifen von Intuition und verstandesmäßigem Wissen fragen. Als Maria-Elisabeth auf Spielbergs Benefiz-Gala Ernest Blochs Nigun spielt, hielten es die Anwesenden nicht für möglich, dass ein nichtjüdisches Mädchen Blochs „Lauschen auf eine innere Stimme aus dem Blut“, die „deep, secret, insistent, ardent“ sein sollte, so erstaunlich nahekam.

Den nach außen gerichteten Wirkungen stehen Eltern, Geschwister, Lehrer und Manager gegenüber, die trotz allen bereits eingetretenen Rummels soviel „Normalität“ wie irgendmöglich zu bieten versuchen. Maria-Elisabeth nimmt die außergewöhnlichen Vorgänge um sich herum mit der größten Selbstverständlichkeit und Gelassenheit! „Ich habe schon genug Freizeit“ meint sich lächelnd. Am liebsten seien ihr die griechische Sagenwelt, Abenteuerromane von Enid Blyton, Rollschuhfahren und Schwimmen.

Josef Rissin: „Sie ist ein sehr lebendiges Kind und wir alle passen höllisch auf, dass sie nicht überfordert wird.“

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Auferstehung einer Geige
„Das größte Wunder, dessen Europa oder die Menschheit überhaupt sich rühmen kann, ist ohne Zweifel der kleine Knabe, Wolfgang Mozart: ein Knabe, der im Alter von acht Jahren die Bewunderung nicht nur der ausgezeichnetsten Männer überhaupt, sondern auch der größten Musiker Europas mit Recht erregt hat. ... Der Vater dieses Wunders wird hiermit Gelegenheit geben, diesen kleinen Komponisten und seine Schwester, deren beider musikalische Kenntnisse keine Verteidigung bedürfen, zu hö­ren. Die zwei Kinder werden auch zu vier Händen zugleich auf ein und demselben Klavier spielen und dasselbe mit einem Handtuch bedecken, so dass sie die Tasten nicht sehen können.“

Marktschreierisch, aber vergeblich, versuchte Leopold Mozart 1765 in England das Interesse an seinen „Wunderkindern“ wachzuhalten. Die Londoner hielten nach gestillter Sensationsgier nach der nächsten „einmaligen Attraktion“ Ausschau.

Die Präsentation der ersten CD mit Maria-Elisabeth Lott wird im munteren Umgang mit sich immer schneller überbietenden Superlativen kaum eine Ausnahme machen. Oder doch?

Viele von Ihnen haben sicher schon im Mozart-Geburtshaus in Salzburgs Getreidegasse auch Wolferls – 1746 von Andreas Ferdinand Mayr gebaute - Kindergeige betrachtet, die hier seit 1896 unbespielt dahindämmert.

Die Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg ließ die Geige im Frühjahr 1998 restaurieren - die Zuger Kulturstiftung Landys & Gyr übernahm die Kosten -  und suchte anschließend Jugendliche, die mit dem Instrument an einer CD-Aufnahme – mit Kraft Jacobs Suchard „Mirabell - Echte Salzburger Mozartkugeln“ als Hauptsponsor –- mitwirken könnten. Rund 40 Kinder im Alter von viereinhalb bis zwölf Jahren aus aller Welt meldeten sich. Die elfjährige Maria-Elisabeth Lott überzeugte die Kommission durch ihre außergewöhnliche Begabung und musikalische Reife.

Maria-Elisabeths erster Kontakt mit Mozarts "Violino piccolo“ wurde von ORF in "Treffpunkt Kultur" vorgestellt. Während der Sendung führte Maria Elisabeth das historische Instrument vor und plauderte munter über ihre musikalische „Karriere“. Studiogast Lord Yehudi Menuhin gratulierte Mozarts junger Erbin.

Auf Einladung der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg spielte Maria Elisabeth im Großen Saal des Mozarteums auf Mozarts Geige – mit dem Mozarteum-Orchester unter Leitung ihres Konzertmeisters Markus Tomasi - das Violinkonzert G-Dur KV 216 und das - für die CD übernommene - Rondo Nr. 1 B-dur KV 269.

Zuvor musste sich die junge Geigerin erst auf die Eigenarten des Instruments einstellen. „Als ich sie das erste Mal in der Hand hatte, da habe ich das gar nicht so richtig geglaubt; das kam mir so unwahrscheinlich vor. Im Mozart-Haus klang die Geige beim ersten Anspielen ganz gut. Es waren noch Darmsaiten aufgespannt. Später kamen Stahl-Saiten drauf. Die hohen Töne lagen viel enger beieinander als normal. Da musste ich die Finger ganz schön zusammenziehen. Aber ich habe mich schnell daran gewöhnt.“

Für den Transfer von Salzburg nach Schramberg bestimmte die haftende Versicherung, dass die Geige ausschließlich per Eisenbahn befördert und in Schramberg nur in einem Tresor aufbewahrt werden durfte. Die Volksbank Schramberg richtete ihrer jungen Mitbürgerin einen Proberaum ein, lieh aus der Instrumentensammlung der Trossinger Musikhochschule einen Hammerflügel und verwahrte die Geige im Tresorraum.

Zusammen mit der Pianistin Sontraud Speidel, Professorin für Klavier an der Staatlichen Musikhochschule Karlsruhe, erarbeitete sie die für die CD noch fehlenden Mozartschen Sonaten G-dur KV 301, e-moll KV 304 und B-dur KV 454. „Mit der habe ich ungefähr ein halbes Jahr vorher angefangen. Ich freue mich immer schon vorher riesig auf das nächste große Stück.“

Zur Aufnahme in Maria Plein im März 1999 wurde auch der wunderbar klingende Walter-Hammerflügel aus Mozarts Geburtshaus transportiert. Maria-Elisabeth: „Am ersten Tag merkte ich, daß Frau Speidel, Herr Rissin und meine Eltern leise miteinander sprachen. Erst abends sagten sie mir, daß Menuhin gestorben sei – sie wollten nicht, daß ich traurig sei und vielleicht schlecht spiele. Aber die e-moll-Sonate ist ja auch traurig. Bei ihr merkt man vielleicht doch, daß Mozart sie schrieb, als seine Mutter gerade gestorben war. Die G-dur-Sonate ist viel fröhlicher. - Am dritten Tag waren wir mittags fertig.“

Trotz allen unvermeidlichen Rummels sollte man Maria-Elisabeths Debüt-Aufnahme nicht wie gewohnt als nächstfällige Nummer im Internationalen Musikzirkus konsumieren, sondern sich mit geschärften Sinnen den Zeugnissen dieser musikalischen und geigerischen Hochbegabung öffnen. Nur unter einer einzigen Bedingung möchte ich von „Sensation“ sprechen: wenn wir an die Sprachwurzeln sen­satio, sensus, sentire im Sinne von Empfindung, Sinneseindruck, Verstehen, fühlen, wahrnehmen zurückgehen. So gesehen „spielen“ sich wahrhaft echte Sensation ab – weitab von der diskreditierenden, landläufig gewordenen Bedeutung eines einstmals ehrenwerten Wortes. Bei Maria-Elisabeth ist nichts von Dressur oder gar Suzuki-Niedlichkeit zu hören. Bestimmend sind trotz der klanglichen Beschränkungen der Kindergeige ihre sehr persönlich ausgeprägte Tonge­bung und ein unbändiger Spiel- und Musizierwillen, der sie weiteste Ausdrucksbereiche überzeugend gestallten lässt. Man hat zu jeder Sekunde den unzweifelhaften Eindruck, daß Maria-Elisabeth ihre ureigensten Empfindungen und Vorstellungen spontan durch die Violine übermitteln kann. Da bleibt kein Raum für nicht sinngefülltes Nachahmen fremder Modelle. In den virtuosen Soli des Rondos versetzt sie ihre technische Souveränität in die Lage, Lust an geigerischer Virtuosität zu vermitteln. Das bloße Vorführen von Handwerk konnte sie noch nie reizen, vielmehr sah sie einen enormen Antrieb darin, Schwierigkeiten meistern zu lernen, um „große Sachen“ spielen zu können, die ihr sonst verwehrt wären.

Die im Umgang mit jugendlichen Musikern äußerst erfahrene Sontraud Speidel steht unserer Geigerin als eine Partnerin zur Seite, bei der sie sich völlig frei fühlen kann. „Behütende Führung“ wird vom Hörer mehr vermutet als gehört werden können.

Maria-Elisabeth weiß sehr gut, daß ihre Entwicklung längst nicht abgeschlossen ist. „Meine Vorbilder sind Heifetz, Menuhin – und mein Lehrer! Zuerst will ich alles können, was mein Lehrer Josef Rissin kann. Vieles kann ich schon, aber noch nicht so gut wie er.“

Angesichts des schon Erreichten und Maria-Elisabeths fröhlich flammender Wiß- und Lernbegierde, die auch nicht vor Mathematik und „schwerer“ Literatur Halt macht, sollten wir ihr für die weitere Entwicklung die Daumen drücken. Wir werden durch sie viel zurückbekommen ...

Wolfgang Wendel

Angaben zur CD:

Maria-Elisabeth Lott, Violine
Sontraud Speidel, Hammerflügel
Mozarteum-Orchester Salzburg, Markus Tomasi
Rondo für Violine und Orchester Nr. 1 B-dur KV 269
Sonaten für Violine und Klavier B-dur KV 454, G-dur KV 301, e-moll KV 304
EMI 5 56872